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Wieder mal was zur Diskussion

Geschrieben um 21:36 am 30.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
kairo
Mitglied
Dr Gumby
Beiträge: 284

Hallo!

Ich habe zwar zu wenig Zeit um ausgiebig zu diskutieren, mlchte aber dennoch folgende Passage aus einem der an deutschen Unis meistgelesenen Aufsätze zur eLiteratur vorstellen:

Zitat:

Text-Adventures basieren wie auch Adventure-Games in der Regel auf dem Prinzip des Labyrinths. Dementsprechend finden sich auch in Zork eine große Anzahl von Irrwegen und Sackgassen. Zum Beispiel wird der Wald zu dicht, die Berge unpassierbar, oder eine Tür läßt sich nicht öffnen.

Im Gegensatz zu Hypertexten und Hyperfiction, in denen es ja auch Sackgassen geben kann, bieten Text-Adventures wie Zork dem Spieler die Möglichkeit, Gegenstände an sich zu nehmen, zu benutzen und so aktiv in das Geschehen einzugreifen (14).

Ein weiterer Unterschied zu den oben besprochenen Hypertext-Werken besteht in der Funktion der Worte. Die Worte in Zork haben nur eine einzige Bedeutung. Es gibt keine Mehrdeutigkeiten, keine Poesie und keine Metaphorik (Mann, S.158). Jedes Wort ist nur ein mögliches Werkzeug, um in dem Spiel einen Schritt weiter zu kommen, zumindest gibt es keine "unnötigen" Beschreibungen. Nur was für das Fortkommen wichtig sein kann, wird beschrieben.

Daher stellt sich die (im Rahmen dieser Arbeit aber nicht relevante) Frage, ob bei Text-Adventures überhaupt noch von Literatur gesprochen werden kann. Ich möchte zu diesem Thema jedoch auf den Aufsatz von Jürgen Fauth verweisen, der zu folgendem Schluß kommt: "The cooperation, then, between the writer and the reader of a hyperfiction is not that of two collaborating artists, it is that between a game designer and a player. Hyperfiction is ultimately a game (...) While it (Hyperfiction) might offer great opportunities for playfull interaction, it seems to be an artistic dead end as far as narrative is concerned."

Anders als bei "Afternoon" und "Writing Space" geht es hier nicht darum, möglichst frei, assoziativ und spielerisch verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, sondern der Spieler soll im Gegenteil den einen und richtigen Weg mit möglichst wenig Versuchen und Fehlern finden.

Die vielen Sackgassen und Irrwege können dabei nach meiner persönlichen Erfahrung schnell zu einer gewissen Frustration führen. "Zork" verlangt damit vom Spieler, sich intensiv auf die jeweils beschriebene Umgebung oder Situation zu konzentrieren und in einem Lernprozess das Prinzip des Programms herauszufinden.

Was kann man dazu sagen? Vielleicht hätte die Autorin doch noch mehr als nur "Zork" spielen sollen? Kann ich die deutsche Literatur beurteieln, wenn ich nur die Merseburger Zaubersprüche kenne?

Ach so, die Quelle:

http://www.berlinerzimmer.de/eliteratur/chaos/default.htm#Hyperfiction

Geschrieben um 15:23 am 31.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
Gast
Gast

Oh Gott. Ich kannte die Seite sogar, bin aber noch nie über den Text gestolpert. Bisher hatte ich immer den Eindruck, es handele sich um eine gute Seite von guten Leuten - Hier wurde sehr informiert über Netzliteratur diskutiert, und über uninformierte Kommentare gelästert.

kairo:

Was kann man dazu sagen? Vielleicht hätte die Autorin doch noch mehr als nur "Zork" spielen sollen?

Und selbst das handelt sie ziemlich lieblos ab. :(

Was mich dabei wirklich aufregt, ist das Genre. Wer in wissenschaftlichen Texten desinformiert, richtet Schaden an, der geglaubt, gelernt und abgeschrieben wird.

Ortmann:

(13) Heinz Herbert Mann geht in "Bilder, Texte Abenteuer-Labyrinthe als Programm" sehr ausföhrlich auf Entstehung und Entwicklung von Adventure-Games und Text-Adventures ein.

(...)

Mann, Heinz Herbert: "Bilder, Texte, Abenteuer - Labyrinthe als Programm" in: Manfred S. Fischer (Hrsg.): Mensch und Technik: Literarische Phantasie und Textmaschine. Aachen 1989, S. 153-162

Kennt jemand den Text? Mich würde interessieren, für welche Missverständnisse hier der Grundstein gelegt wurde.

Geschrieben um 15:26 am 31.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
ryn
Mitglied
Bachelor Gumby
Beiträge: 56

Zitat:

Oh Gott. Ich kannte die Seite sogar, bin aber noch nie über den Text gestolpert.

Tschuldigung, ich war's. Hab ich das falsch gesehen, oder wird man wirklich ausgelogt, wenn man zu lange an einem Artikel schreibt?

Geschrieben um 17:43 am 31.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
kairo
Mitglied
Dr Gumby
Beiträge: 284

ryn:

Ortmann:

(13) Heinz Herbert Mann geht in "Bilder, Texte Abenteuer-Labyrinthe als Programm" sehr ausföhrlich auf Entstehung und Entwicklung von Adventure-Games und Text-Adventures ein.

(...)

Mann, Heinz Herbert: "Bilder, Texte, Abenteuer - Labyrinthe als Programm" in: Manfred S. Fischer (Hrsg.): Mensch und Technik: Literarische Phantasie und Textmaschine. Aachen 1989, S. 153-162

Kennt jemand den Text? Mich würde interessieren, für welche Missverständnisse hier der Grundstein gelegt wurde.

Ich habe Herrn Mann eine E-Mail geschrieben und ihn um eine Kopie des Aufsatzes gebeten. Er hat bereits geantwortet, und anscheinend bekomme ich den Text bald zugeschickt. Ich kann ja dann mal erzählen, was darin steht.

Geschrieben um 19:00 am 31.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
Mo
Mitglied
Dr Gumby
Beiträge: 290

Zunächst einmal ist es in jeder Mediengattung grandioser Unfug, ein ganzes Genre durch ein einzelnes Exemplar zu definieren. Zork steht natürlich nicht für alle Textadventures in ihrer Gesamtheit. Und selbst wenn man den Fortschritt und die Veränderungen des Genres seit Zork komplett ignoriert, bleiben viele Aussagen von Ortmann nicht nur falsch, sondern sind - wie Ryn schrieb - auf verwerfliche Weise desinformierend.

Ortmann:

Eine weitere Variante von Hypertext sind Text-Adventures, die nach dem Prinzip der Adventure-Games funktionieren.

Wow, das hätte ich nicht gedacht. Funktionieren etwa auch Kinofilme nach dem Prinzip des Films?

Ortmann:

Die Worte in Zork haben nur eine einzige Bedeutung. Es gibt keine Mehrdeutigkeiten, keine Poesie und keine Metaphorik (Mann, S.158).

Sie meint "Wörter". Und keine Metaphorik oder Poesie ausgerechnet in Zork?

(Verschwindet also auch die komplette Metaphorik und Poesie aus Shakespeares The Tempest, wenn es von Graham Nelson in ein Spiel umgewandelt wird?)

Ortmann:

zumindest gibt es keine "unnötigen" Beschreibungen. Nur was für das Fortkommen wichtig sein kann, wird beschrieben. Daher stellt sich die Frage, ob bei Text-Adventures überhaupt noch von Literatur gesprochen werden kann.

Eine abstruse Definition von Literatur. Im Umkehrschluss müsste dann "richtige" Literatur voll von unwichtigen, unnötigen Wörtern sein. Armer Hemingway.

Und sogar Zork hat eine Menge "unnötiger" Beschreibungen. Bei Scott Adams' Spielen könnte man vielleicht sagen, sie verzichteten auf jegliche unnötigen Beschreibungen, ganz sicher aber nicht bei Infocom-Spielen.

Zitat:

While it might offer great opportunities for playfull interaction, it seems to be an artistic dead end as far as narrative is concerned.

Photopia? Shade? Galatea? Seelig sind die Unwissenden.

Ortmann:

(Zork:) Stöberndes Vor- oder Zurückgehen, Hin und Herspringen sind nicht möglich.

Zurückgehen ist nicht nur möglich, es wird u.U. sogar ein durch zufällige Begebenheiten (Troll, Dieb usw.) geänderter Text ausgegeben. Was ich in "klassischer" Hyperfiction für nur schwer realisierbar halte.

Ortmann:

"Zork" bietet dem Leser keinen narrativen Spannungsbogen, es wird keine Geschichte erzählt.

So langsam wird's mir zuviel. Im Gegensatz zu neueren Textadventures mag Zork nicht viele narrative Elemente beeinhalten (Der narrative Hintergrund wird m.E. besonders durch die Original-Beilagen erzeugt.) Aber es wird zweifellos die Geschichte eines Abenteurers erzählt, der ein Großes Untergrundreich entdeckt und Schätze sammelt. Das ist mehr narrative Spannung, als die meisten Blockbuster-Filme zu bieten haben.

Ortmann:

Bei keinem der drei von mir untersuchten Beispiele, tritt der Autor so weit zurück, daß er dem Leser Eingriffe in die Verknüpfungsmöglichkeiten oder in die Programmebene gestattet.

Möchte die Autorin Zork gerne im Quellcode-Modus spielen? Oder wie soll man dies verstehen?

Kairo:

Vielleicht hätte die Autorin doch noch mehr als nur "Zork" spielen sollen?

Wobei ich bezweifle, dass sie selbst Zork gespielt hat.

Geschrieben um 23:21 am 31.10.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
tomjoad
Mitglied
Bachelor Gumby
Beiträge: 48

Mo:

Ortmann:

"Zork" bietet dem Leser keinen narrativen Spannungsbogen, es wird keine Geschichte erzählt.

So langsam wird's mir zuviel. Im Gegensatz zu neueren Textadventures mag Zork nicht viele narrative Elemente beeinhalten (Der narrative Hintergrund wird m.E. besonders durch die Original-Beilagen erzeugt.) Aber es wird zweifellos die Geschichte eines Abenteurers erzählt, der ein Großes Untergrundreich entdeckt und Schätze sammelt. Das ist mehr narrative Spannung, als die meisten Blockbuster-Filme zu bieten haben.

Also, das ist gerade einer der wenigen (der einzige?) Punkt, wo ich mit der Autorin übereinstimmen würde. Zumindest Zork I erzählt für mich keine wirkliche Geschichte. Daraus zu schließen, daß Textadventures grundsätzlich keine Geschichte erzählen können, ist natürlich absurd.

Die Packungsbeilagen sind doch soweit ich weiß erst mit der grauen Box dazu gekommen, in der Blisterpack-Version gab's die doch noch nicht? Das würde heißen, die Geschichte wäre erst nachträglich in ein Spiel eingefügt worden - geht das überhaupt?

Damit ich es eine "richtige" Geschichte nennen würde, müßte es schon eine Art Handlungsstrang bieten, der zumindest von Zeit zu Zeit fortgeführt wird. Sonst müßte man IMHO konsequenterweise jede Horizontalballerei mit einer kurzen Hintergrundgeschichte a la "die Aliens sind gelandet und ein einsamer Held steigt in sein Raumschiff" als Interactive Fiction bezeichnen ...

Was Du vor allem vergessen hast, nicht nur Zork I kann keine narrative Spannung erzeugen, es wird dem kompletten Genre die Möglichkeit abgesprochen, überhaupt jemals eine solche erzeugen zu können:

Zitat:

Hilmar Schmundt beschreibt in diesem Zusammenhang in "Strom, Spannung, Widerstand" das Dilemma zwischen narrativer Spannung und Leserautonomie (Schmundt, Seite 51 ff). Ohne chronologische Abfolge könne es keinen narrativen Spannungsbogen geben. Da Hyperfiction sich aber gerade durch Nicht-Linearität auszeichnen, "kann Spannung in Hyperfictions nur durch die Unvorhersagbarkeit und Undurchschaubarkeit des Programmes erzeugt werden" (Schmundt, Seite 55).

Vielleicht sollte mal jemand der guten Frau ein paar gute "Adventure-Hypertexte" schicken ...

Geschrieben um 12:00 am 01.11.2002 | Zitat | Editieren | Löschen
Tanan
Mitglied
Prof Gumby
Beiträge: 404

Mo:

Zunächst einmal ist es in jeder Mediengattung grandioser Unfug, ein ganzes Genre durch ein einzelnes Exemplar zu definieren.

Da stimmen hier wahrscheinlich alle zu. Die Frage ist nur, was machen wir aus dem Text? Wir können uns noch lange drüber aufregen. Aber wer schreibt einen besseren? Und wie kriegen wir den dann an die Unis? g

tomjoad:

Vielleicht sollte mal jemand der guten Frau ein paar gute "Adventure-Hypertexte" schicken ...

Ob sie die dann spielt? Aber einen Versuch wär es ja wert. Photopia oder so.

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