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Start frei für den 14. IF Grand Prix 2024!

Geschrieben um 21:19 am 25.05.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Hannes
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  • War das eigentlich in den Vorjahren auch so, dass Systeme Marke Eigenbau in der Mehrheit waren?

Es ist natürlich schwierig, aus einer sehr kleinen Gesamtmenge statistische Schlüsse zu ziehen. Schaut man sich die Grand Prixs der letzten Jahre an:

  • 2022: 4/6
  • 2023: Streng genommen 0/4, aber ich postuliere mal: die zwei Gruescript-Spiele gab es nur, weil die beiden Autoren das für sie neue System ausprobieren wollten. Also zähle ich die mal und komme so auf 50%.
  • 2024: 3/5

Ist es denn überhaupt legitim, aus dem Umstand, dass jemand AUCH Interesse an technischen Herausforderungen hat, zu folgern, dass für ihn Spielinhalte weniger wichtig sind?

In dieser Schärfe mag man das in Frage stellen, aber eines ist doch wohl augenscheinlich: Es gibt keinen einzigen Teilnehmer, seit Jahren, der nicht mit einem technischen Hintergrund ins Thema kommt, oder?

  • Und sieht Inform 7, wenn man damit eine deutsche IF verfasst, nicht irgendwie ziemlich hässlich aus?

Bin mir nicht sicher, worauf sich das "hässlich" bezieht. Jetzt mal meine persönlichen ästhetischen Vorlieben beiseite gestellt, halte ich rein optisch dieses Jahr den Magierturm für das zugänglichste Spiel (sorry, Stefan, deines natürlich nicht gespielt). Optisch sehr ähnliche Sachen habe ich auf Englisch vielfach gesehen, die mit Inform gemacht wurden. Scheint also Erweiterungen zu geben.

Was man aber auch sagen muss: Man wird hier vielfach am Inform-Standard gemessen. Ich finde das logisch, und es gibt auch keinen Grund, irgendwas gnädiger zu beurteilen, nur weil da wieder jemand seinen Homebrew-Kram machen musste. Dabei gilt aber Inform hier anscheinend einigen als der absolute Goldstandard. Wenn irgendwas ein bisschen anders ist, sind die Aufschreie vorprogrammiert. Manchmal nervt das schon ein bisschen.

Ich denke nicht, dass diese Aussage stimmt. Gerade Martin ist doch sehr grantig bezüglich diverser Inform-Standards. Stichwort Listenschreiber usw....

Ich habe mich neulich zu dem Thema mit Olaf unterhalten, ob man Non-Inform-Systeme beim Wettbewerb nicht anders bewerten sollte, zum Beispiel in einer eigenen Kategorie. Wir waren hier unterschiedlicher Meinung. Ich persönlich brauche keine “Wir sind mal gnädig, es ist ja kein Inform-Spiel“-Bewertung. Womit ich aber was anfangen könnte, wäre beispielsweise, Parser, Story, Puzzles und Spielführung getrennt zu bewerten. Das ergibt dann vielleicht am Ende ein völlig fragmentiertes Ergebnis ohne eindeutigen Sieger, aber mir käme das eigentlich gerade recht. Denn den Wettbewerb der Ideen und Umsetzungsansätze finde ich weitaus spannender als das Siegertreppchen.

Uff... beide Ideen halte ich bei einer Gesamtzahl von fünf Einreichungen für völligen Overkill. Erstere Trennung (Inform/Rest) hat genau den Beigeschmack, den du sagst. Und eine abgestuftere Bewertung? Erhöht erstmal nur die Schwelle mitzubewerten. Jetzt mal völlig davon abgesehen, ob es überhaupt möglich ist, solche inhaltlichen Kriterien scharf voneinander zu trennen. Rätsel und Parser beispielsweise. Oder Parser und Spielführung. Auch zwischen Puzzles und Spielführung sehe ich Überlappungen bzw. gegenseitige Abhängigkeiten.

Dadurch, dass viele Juroren auch Autoren sind, gehen sie sicher mehr auf technische Aspekte ein als ein 'normaler' Spieler, und spielen Spiele analytischer (wie Hannes) als es vielleicht jemand machen würde, der einfach unbedarft in eine neue Spielwelt eintauchen will.

Das ist ein interessanter Punkt, über den ich auch schon öfter gegrübelt habe. Spiele ich Spiele anders? Das möchte ich eigentlich nicht. Ich denke (kann es aber natürlich nicht garantieren), dass ich eigentlich gerade "unbedarft in eine neue Spielwelt eintauchen" möchte. Der analytische Blick, die Suche nach Fehlerquellen, springt dann an, sobald meine Immersion zu stark gebrochen wird. Denn:

Letztlich mindert aber alles, was den Spieler vom eigentlichen Spiel ablenkt, natürlich den Spielspaß und damit die Bewertung - ob das dann technische Probleme sind, der Parser einen nicht versteht oder das Gameplay nicht logisch oder konsistent ist

Eintauchen in die Welt bedeutet für mich eben auch, dass das Spiel mir beispielsweise erlaubt, auch mal ein paar Dinge zu tun, die nicht zur strikten Lösung gehören. Hat dieses Jahr aber gefühlt kein einziges Spiel erlaubt.

Als Spieler ist es mir dabei prinzipiell völlig egal, ob jemand ein selbstgebautes oder ein etabliertes System verwendet, um seine Vision zu verwirklichen, aber es sollte immer das Spiel im Vordergrund stehen und nicht die Technik dahinter.

Das sehe ich genauso. Nur weiß ich, dass sobald jemand die Entwicklung eines neuen Systems in Angriff nimmt, Unmengen an Zeit reingesteckt werden müssen, um auf einen einigermaßen konkurrenzfähigen Stand zu kommen. Nein, ich bin nicht so naiv zu glauben, dass die gleiche Zeit sonst in inhaltliche Arbeit an Spielen geflossen wäre. Wie Stefan ja korrekt anmerkt: Es ist eine andere, zusätzliche Herausforderung mit ihrem eigenen Reiz, die dann auch eigene Zeit erhält. Aber komplett disjunkt sind die Zeitbereiche garantiert auch nicht.

Bei aller Kritik und glücklicherweise auch unterschiedlichen Meinungen fände ich es schön, wenn insgesamt öfter das Gefühl transportiert wird, dass sowohl das Schreiben als auch das Spielen von IF eine spannende und erfüllende Sache sein kann, und nicht nur das aussterbende, schrullige Hobby einiger grumpy old men.

Ja... so gesagt sicher richtig. Nur führt das andere Extrem auch in eine Sackgasse. Siehe "Talefriends" vor 15 (?) Jahren, wo jeder Scheiß hochgejubelt werden "musste" (?). Oder auch wie es lange in Adrift-Kreisen üblich war: bitte nur positives Feedback. Dadurch entsteht dann evtl. Masse, aber sicher keine Klasse. Auch deshalb:

völlig unabhängig davon, welches Nischendasein IF aktuell führt, bin ich nach wie vor der Meinung, dass Interactive Storytelling ein Zukunftsthema ist.

Es sollte auch die Frage erlaubt sein, warum denn Einige der Verbliebenen, derjenigen, die schon länger da sind, "grumpy old men" geworden sind. Könnte es auch damit zusammenhängen, dass sich eben überhaupt nichts vorwärts bewegt? Dass die Hoffnung, gewisse basische Standards irgendwann erreicht zu haben, gewisse Einschränkungen der 80er mal hinter sich zu lassen, immer wieder an der Realität zerschellt?

Dies führt mich zurück zu meiner Eingangsthese: Ich für meinen Teil möchte diesen Anspruch, etwas weiterzuentwickeln, eigentlich gerne fallen lassen. Denn ansonsten muss man zum heillosen Zyniker werden. Ich möchte stattdessen viel lieber die Sachen, die wir nun mal haben, genießen.

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Bearbeitet von Hannes um 21:22 am 25.05.2024
Geschrieben um 22:22 am 25.05.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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In dieser Schärfe mag man das in Frage stellen, aber eines ist doch wohl augenscheinlich: Es gibt keinen einzigen Teilnehmer, seit Jahren, der nicht mit einem technischen Hintergrund ins Thema kommt, oder?

Ich bezweifle es etwas. Bei mir war es klipp und klar Technik UND Storytelling. Das UND ist wichtig.

Bin mir nicht sicher, worauf sich das "hässlich" bezieht. (…)

Ich bezog es auf den Code, der im Englischen in Inform 7 super aussieht, aber dann im Quellcode für ein deutsches Spiel eher befremdlich. Von der Präsentation halte ich den Magierturm übrigens auch für das gelungenste Spiel im Feld.

Uff... beide Ideen halte ich bei einer Gesamtzahl von fünf Einreichungen für völligen Overkill. (…)

Ja, das mag alles sein. Ich werfe mal in die Waagschale:

  • man muss vielleicht nicht zwingend in allen Kategorien bewerten
  • vielleicht gliedert man auch nur das Feedback danach
  • wichtig ist mir doch vor allem, dass man da am Ende von einer ollen, nicht sehr aussagekräftigen Einheitsschulnote weg kommt. Beim Magierturm ist mir das besonders aufgefallen: Das Spiel hat sehr starke und sehr schwache Seiten. Ein Mittelwert wird dem dann einfach nicht gerecht, finde ich. Aber im Ernst: Ich bin mir da auch nicht so sicher, was der richtige Weg wäre, den IFGP zu tweaken. Ich finde nur vieles vorstellbar.

Könnte es auch damit zusammenhängen, dass sich eben überhaupt nichts vorwärts bewegt?

Kann’s eventuell sein, dass es neue Leute sind, die die alten Fehler wiederholen? Ja, mit diesem Problem hat die Menschheit schon länger zu kämpfen.

Ich für meinen Teil möchte diesen Anspruch, etwas weiterzuentwickeln, eigentlich gerne fallen lassen. Denn ansonsten muss man zum heillosen Zyniker werden. Ich möchte stattdessen viel lieber die Sachen, die wir nun mal haben, genießen.

Na, mach doch! Wenn das am Ende dazu führt, dass du mehr genießen kannst und vielleicht doch nicht ganz runterkommst von deinen Ansprüchen (weil sich sowas eigentlich nie völlig ausschalten lässt) – dann ist doch alles gut.

Geschrieben um 09:43 am 29.05.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Hannes
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StefanH:

Ich für meinen Teil möchte diesen Anspruch, etwas weiterzuentwickeln, eigentlich gerne fallen lassen. Denn ansonsten muss man zum heillosen Zyniker werden. Ich möchte stattdessen viel lieber die Sachen, die wir nun mal haben, genießen.

Na, mach doch! Wenn das am Ende dazu führt, dass du mehr genießen kannst und vielleicht doch nicht ganz runterkommst von deinen Ansprüchen (weil sich sowas eigentlich nie völlig ausschalten lässt) – dann ist doch alles gut.

Na ja, das ist ja aber nicht die Frage. Ich werde nachher ohnehin machen, was ich will ;) Nur habe ich das hier ja geschrieben, in der Hoffnung, es ein wenig reflektieren zu können mit Gleichgesinnten. Das Interesse scheint nur leider sehr gering zu sein. Was ja aber dann auch eine Aussage ist.

Geschrieben um 14:20 am 29.05.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Ike
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Ja so zu dritt erschöpft sich das halt leider auch recht schnell. Ansonsten kann ich deinen beiden Hypothesen eigentlich nur zustimmen.

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Geschrieben um 20:14 am 31.05.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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Hannes:

Na ja, das ist ja aber nicht die Frage. Ich werde nachher ohnehin machen, was ich will ;) Nur habe ich das hier ja geschrieben, in der Hoffnung, es ein wenig reflektieren zu können mit Gleichgesinnten. Das Interesse scheint nur leider sehr gering zu sein. Was ja aber dann auch eine Aussage ist.

Ja, verstanden. Ein wenig schade ist das schon.

Geschrieben um 07:29 am 01.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Hannes
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Euch beiden auf jeden Fall vielen Dank für die interessanten Perspektiven und Gedanken!

Geschrieben um 21:38 am 01.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
proc
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Jetzt mal nicht so voreilig, ihr beiden drei seid nicht die Einzigen hier. Ich habe die Diskussion lediglich mit dem Eindruck verfolgt, den ich von der Welt insgesamt habe, dass sich die Geschichte wiederholt und ich nicht viel Neues dazu beizutragen habe. Sicherlich ist heute das Interesse an Textadventures geringer als zu Zeiten, in denen BASIC-Dumps in Zeitschriften abgedruckt wurden. Ich weiß nicht wie es heute um Inform steht, es gab jedenfalls einige Evolutionen wie Porpentine mit Twine (einst Glulx-Freak) und den mittlerweile unüberschaubar vielen JS-Frameworks vor allem mit Mobile im Blick. Vermutlich wird sich künftig AI in diesem Bereich noch einnisten, wenn da kostenlose Webservices entstehen. Hannes' Hypothese vom primär technischen Interesse halte ich für etwas verkürzt, die so gesehen auf alle Zeiten bis in die frühen 80er zurück zutrifft und den Hauptgrund in der Fixierung auf Parsergames und die dahingehende Unvollkommenheit der überwiegend angelsächsischen Tools hat. Auch Hannes' zweite Hypothese des störenden Perfektionismus teile ich nur bedingt, ein kurzes Spiel darf gerne perfektionistisch und damit auch spielerisch vielfältig erkundbar sein. Das Problem ist in meinen Augen eher die Informisierung der Spielewelt, man tippt einen Titel in den Quellcode und schon ist da ein neuer Raum. Das jetzt pars pro toto für alle Möglichkeiten, diese Wellness-Entwicklungssysteme haben meines Erachtens einen schlechten Einfluss aufs Spieledesign. Weniger ist mehr, das ist eine Grundlage des Spieledesigns generell und daher würde ich eher sagen, manche Spielansätze sind viel zu groß gedacht und verrennen sich in ihrer Ausdehnung. Die Kunst des Erzählens liegt in der Kompression auf das Wesentliche und die Kunst des Programmierens in der Eleganz der Lösung, das kann bestenfalls auch mal umgedreht gedacht werden. Meine Beobachtung der letzten Jahre zieht für den GP nicht: Parser-IF wird aussterben und die Prämissen aller vorgebrachten Hypothesen daher entfallen. Vielleicht nächstes Jahr, mal sehen. Wie schon gesagt, ich glaube dazu nichts Neues beitragen zu können.

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Geschrieben um 09:34 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Hannes
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Das Problem ist in meinen Augen eher die Informisierung der Spielewelt, man tippt einen Titel in den Quellcode und schon ist da ein neuer Raum. Das jetzt pars pro toto für alle Möglichkeiten, diese Wellness-Entwicklungssysteme haben meines Erachtens einen schlechten Einfluss aufs Spieledesign.

Das ist doch ein guter Punkt. Inform und seine Standardbibliothek sind designt für umfangreiche Spiele wie eben Curses. Solche gibt es heutezutage aber überhaupt nicht mehr! Und wenn doch alle Jubeljahre mal jemand eines macht, dann spielt es niemand, weil kein Spieler mehr die Geduld dafür hat. Außerdem, nicht zu vergessen, ist das System ganz stark auf physische Interaktion mit der Welt ausgelegt. Was in deutschen Spielen weniger ein Problem ist, denn die haben weitgehend weiterhin Objekträtsel. Aber alles, was menschliche Interaktionen sind, kann man in Inform wohl maximal als Workaround bezeichnen.

Dem Turm des Hexenmeisters hätte ein bisschen mehr Inform genützt. Aber andersherum hätte weniger Inform Staub besser gemacht. Nämlich indem die gesamte ungenutzte Grammatik nicht dagewesen wäre.

Vielleicht ist also die Erkundung in Richtung neuer Entwicklungssysteme durchaus der richtige Weg -- nämlich um etwas zu finden, zu machen, das den heutigen Prämissen, den heutigen Ansprüchen von Autoren wie Spielern besser entspricht. Um kurze Spiele mit einfachem, aber dafür in diesem Maße gut ausgestalteten Weltmodell und Kommunikationsgrammatik zu machen.

Geschrieben um 13:08 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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Nämlich indem die gesamte ungenutzte Grammatik nicht dagewesen wäre.

Wobei man sagen muss: Auch die ungenutzte Grammatik kann man ja irgendwie bändigen. Entweder im System oder als Autor.

Ich hatte ganz ähnliche Probleme beim „Versteck des Meisters“. Das blödeste aller Beispiele: „Schaue x“, „schaue auf x“, „schaue in x“ oder „durchsuche x“ ergaben nicht dasselbe Ergebnis.

Abgesehen davon, dass das natürlich deadline-getriebene Schlamperei war, sah ich mich einmal vor die interessante Frage gestellt: Gut, die Mechanik ermöglicht es, diese 4 Fälle völlig unterschiedlich zu bearbeiten. Aber in welchen Fällen wird der Spieler anschließend sagen „Oh, diese Unterscheidung hat ja mal richtig Sinn gemacht. Da wurden mir Informationen vorenthalten und es hat mich eine Viertelstunde wertvolle Lebenszeit gekostet, aber das Verhalten des Systems war dermaßen schlau – es ist wirklich jede Sekunde wert gewesen“? Beim „Versteck des Meisters“, das mit einem recht schlichten Weltmodell auskommt, ist die Antwort einfach: Keine dieser Unterscheidung ist wirklich nötig oder sinnvoll. Im Gegenteil: Diese Unterscheidungen nerven fast überall.

Also habe ich die Möglichkeit der Individualbehandlung beibehalten, aber per default viele Unterscheidungen eingeebnet. An diesem Prozess nag ich gedanklich noch, weil das womöglich auch eine Blaupause für weitere Vereinfachungen ist. Das Ziel wäre dann schon, dass per Default ein System (ob Inform oder was auch immer) überhaupt keine Grammatikanteile haben sollte, deren schiere Existenz rumnervt.

Adressiert dies das Problem, welches du mit deinem oben zitierten Satz anreißt, Hannes?

Das Problem ist in meinen Augen eher die Informisierung der Spielewelt, man tippt einen Titel in den Quellcode und schon ist da ein neuer Raum. Das jetzt pars pro toto für alle Möglichkeiten, diese Wellness-Entwicklungssysteme haben meines Erachtens einen schlechten Einfluss aufs Spieledesign.

Was mich hier ausgesprochen neugierig gemacht hat: Wer arbeitet hier so? Alles direkt in Inform eingeben?

Ich schreibe absolut immer ein GDD, das beschreibt Räume, Personen, Gegenstände, Puzzles, Story. Ohne dass ich auf dem Papier sehe, dass das Ganze grundsätzlich funktioniert, schreibe ich keine Zeile Code. Irgendwann löse ich mich dann vom GDD, aber sicher nicht, bevor das Spiel nicht über den Hauptstrang lösbar ist. Ich behaupte nicht, dass das die geilste Arbeitsweise überhaupt ist. Aber ich kann halt nur so arbeiten, ich habe vielleicht – berufsbedingt – einen Planungsfimmel.

Planvoll vorgehen kann man natürlich auch, wenn man Inform benutzt. Insofern gemein, dem System das vorzuwerfen. Es lädt vielleicht dazu ein, planlos alles mögliche reinzuhacken. Aber dem User ist keine Möglichkeit genommen, vorausschauend zu arbeiten.

Meine Beobachtung der letzten Jahre zieht für den GP nicht: Parser-IF wird aussterben und die Prämissen aller vorgebrachten Hypothesen daher entfallen.

Das wäre natürlich die Ironie schlechthin: Da schleppt sich das sterbende Parser-IF-Genre über 50 Jahre durch die Computerspielgeschichte, und just in dem Moment, als Textprompts zum Megaknaller des Jahrzehnts werden, verreckt das Genre endgültig.

Ich bin hingegen sehr gespannt, wann wir hier erste Kandidaten mit AI-Parser begrüßen dürfen. Spannende Sachen fallen mir da ein, die ich gerne mal live im Einsatz sehen würde.

Geschrieben um 14:25 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
proc
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@Kurze Spiele mit gut ausgestaltetem Weltmodell und Kommunikationsgrammatik: Wenn damit nicht "möglichst realistisch mit vollkommenen Sprachverständnis" gemeint ist (wovon ich jetzt mal ausgehe), stimme ich dem uneingeschränkt zu. Das wäre eine Welt, die dem Spiel entspricht und daher auch in einem anderen Universum stattfinden könnte. Mit einem hinreichenden Sprachverständnis, das in der Praxis nur durch exzessives Testen und Feedback entstehen kann. Über Strategien und vor allem auch handwerkliche Fehler ist in den letzten 30 Jahren viel geschrieben worden. Nichts ist beispielsweise frustrierender als guess-the-verb-hacking. Nur tendiert die IF-Geschichte dazu, das Subjekt der Parserzeile wie Eliza oder HAL als realistischen Gesprächspartner auszugestalten, was dann zu Verkünstelungen führt. Emilie hat z.B. einst Jahre in intelligente Konversationen reingebuttert ohne das solche herausgekommen sind, und Twine umschifft das Problem elegent um multimediälst dann Grafikadventures nachzuäffen, da krame ich mir lieber mein altes Portal 2 wieder raus.

@Als Textprompts zum Megaknaller des Jahrzehnts werden, verreckt das Genre endgültig: Ja. Um die dystopische Situation mal in die Zukunft zu projizieren: Die Leute nutzen Smartphones und können ohnehin kaum ein Wort richtig schreiben, mittlerweile haben die meisten Bundesländer Rechtschreibnoten abgeschafft. Dauert noch eine Weile, die Prompts werden uns überleben schon wegen Unix und vielleicht ist es ja auch wie in der Mode: Alle 30 Jahre kommen die alten Trends zurück. Ha, super Idee, ich kauf mir morgen eine Glockenhose!

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Geschrieben um 14:59 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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und vielleicht ist es ja auch wie in der Mode: Alle 30 Jahre kommen die alten Trends zurück. Ha, super Idee, ich kauf mir morgen eine Glockenhose!

Na, viel Spaß damit! (Jetzt muss ich nur noch schauen, wo ich für den nächsten Winter Moon Boots herbekomme) Imho hat das mit den Textprompts aber wirklich so rein gar nichts mit Mode zu tun. Das ist eine perfekte Schnittstelle zu Large Language Models. Und ChatGPT und Konsorten liefern mit ihren Wahrscheinlichkeits-basierten Berechnungen auch bereits jetzt eine erstaunliche Analyseleistung ab. Das schließt natürlich ein, dass sie auch aus jeder noch so kaputten Fehlschreibweise irgendwie herleiten, was es wohl bedeuten könnte. So wichtig ich Rechtschreibung ja finde - man kommt heutzutage erstaunlich weit ohne sie.

Geschrieben um 15:10 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
proc
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Huch ja, ich habe ein anderes Weltmodell und eine gesetztere Kommunikationsgrammatik, ich kann sogar etwas Latein und Französisch. Man kann auch akademisch über Large Language Models diskutieren und sogar AI einwerfen, nur sehe ich Neffe, Nichte (die mit mir mal ein I7-Game gemacht hat, glücklicherweise unveröffentlicht) und die Berliner Bekanntschaften um den Wedding herum und was sie eben "casual" gamen. Verblüffend eindeutig: Nix Text eingeben. Und wenn, dann ähm also zumindest halbwegs richtig. Vielleicht auch dreiviertelwegs, das ist aber nicht wirklich die Antwort. "42" können aber alle.

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Geschrieben um 15:18 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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Proc, so ganz ist mir nicht klar, was du mir sagen willst. Sagen wir, folgendes ist gesetzt: a) Eine interaktive Geschichte b) Jemand, der sie liest/spielt/erlebt Was wäre hier aus deiner Sicht das zeitgemäße Mittel der Wahl, a + b miteinander zu verbinden?

(Die einzige Antwort, die ich nicht gelten lasse: "Nichts, weil b so gut wie ausgestorben ist")

Geschrieben um 15:53 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
proc
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Huch, hier geht's für ein gestorbenes Forum ja richtig ab. Ich hab doch schon alles gesagt, wenn auch überspitzt. Das gieße ich gerne mal in Hypothesen, nummeriert von Hannes an:

Hypothese 3: Parser-IF ist tot. Na gut, noch nicht ganz, aber sie modert. Es kann noch ein Mode-Aufmupf geben und ein paar Jahrzehnte dauern. Nicht dass ich es wollte oder toll fände, es ist einfach nur eine Projektion aus den Entwicklungen der letzten Jahre in der Hoffnung, ich liege völlig daneben.

Hypothese 4: Die Systemvielfalt DE hat ihren Grund in den angelsächsischen Systemen und der Flucht daraus.

Das Mittel zur Wahl ist für mich: Back to the roots. Ich habe mal heimlich eine Twine-Story gepostet und das Feedback erhalten, dass damit das Lesen wieder richtig Spaß macht. Das ist der grundsätzliche Twist, den jeder Autor für sich entscheiden muss: mehr erzählen oder mehr spielen. Das ist dann auch technikabhängig, und bei Parsergames wird naturgemäß nunmal mehr gespielt und das ist wohl auch mehr was für Gymnasiasten, da will ich aber jetzt keinem zu nahe treten weil ich es lediglich aus Verwandtschaftserfahrungen heraus vermuten kann. Da bin ich an Strack-Zimmermann erinnert, die Scholz jüngst als Autisten bezeichnet hat, also soweit geht meine Aussage strukturell jetzt nicht.

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Geschrieben um 17:48 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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Hypothese 4: Die Systemvielfalt DE hat ihren Grund in den angelsächsischen Systemen und der Flucht daraus.

Also zumindest in diesem Jahr war es so:

  • 1 System geht auf Spaß an Retro-Systemen zurück
  • 2 Systeme gehen auf individuelle (Lern-)Ambitionen zurück (Ich hoffe, ich interpretiere Carsten hier richtig)
  • 0 Systeme verdanken der Grauslichkeit von Inform1 bis 7 ihr kümmerliches Dasein

Die Leute nutzen Smartphones und können ohnehin kaum ein Wort richtig schreiben...

Sie schreiben wirklich anders, aber sie schreiben auf ihren Smartphones gar nicht mal wenig. Und die braven Töchter, die auf Mittelhochdeutsch Gedichte aufsagen könnten (das aber netterweise lassen), die gibts auch noch. :)

Das Mittel zur Wahl ist für mich: Back to the roots. Ich habe mal heimlich eine Twine-Story gepostet...

Mir ist etwas unklar, warum Twine die "Roots" sein soll, aber ich finde das durchaus eine gute Lösung für viele IFs. Wie schon an anderer Stelle geschrieben: "Der Turm des Hexenmeisters" wäre damit auch besser geworden.

<Kleiner Werbeblock> Mit dem Update zu "Das Versteck des Meisters", das ich kürzlich hochgeladen habe, spielt sich das Spiel endlich mit Multiple Choice butterweich. Mir hats Spaß gemacht, wenngleich ich schon immer noch eine zu große Optionsvielfalt sähe für das Publikum aus dem Wedding. :) </Kleiner Werbeblock>

Ach ja, ich würde dem Ganzen hier beizeiten mal einen eigenen Thread spendieren. Es muss ja nicht alles in diesem Thread versteckt werden.

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Bearbeitet von StefanH um 17:49 am 02.06.2024
Geschrieben um 20:36 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
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Stefan, es geht mir nicht um eine komplexe Statistik aus fünf Probanden hier, sondern um tragend weltumspannend-geopolitische Entwicklungen vor allem auch hinter dem Atlantik. Inform ist super, das hochgelobte TADS lässt sich auf deutsch verwenden (Dank an Mikawa), und eines meiner Lieblingsspiele der letzten Jahre ist in T.A.G. geschrieben, was freilich an Ovid liegt, mein metamorphischer Lieblingsspieledesigner noch vor den Grimms. Es ist wie bei den Gemeinderatswahlen: Die größte Autorengruppe ist die Hundertschaft der Nichtautoren, die wir im ifGP nicht gesehen haben. Rundrum darum, warum dreht sich die Frage. So ist Hypothese 4 entstanden, mit Blick auf die deutschsprachigen Spiele bis in die 90er zurück, ich muss bei Gelegenheit mal die vielen Selbstbausysteme zählen. Sicherlich ein Dutzend, wennicht zwei. Und mit Nummer 3 will ich nicht miesmachen, sondern eher austesten, ob jemand mitliest. Kleiner Scherz am Rande. Es ist durchaus ernstgemeint und quält mich seit über 10 Jahren, an sich seit Porpentine und die vielen JS-Frameworks: IF ist offenbar am erfolgreichsten als Klickstory auf dem Smartphone, wir hatten 2012 in illustrer Münchner Runde mit Jon Ingold dazu geskyped, Gründer von Inkle, der von Zigtausend App-Verkäufen geschwärmt hatte. Emily Short hatte ich vorhin auch nicht ohne Grund erwähnt, sie hatte sich mit Richard Evans halbkommerziell in intelligenter Dialog-IF festgebissen, eine Art aufblasbare Gummipuppe, die ganz natürlich spricht wenn man sie was fragt und auch furzen kann wenn nötig. Hat alles nicht hingehauen und das sehe ich jetzt mit AI so dicke kommen. Das ist aber ein anderes Thema. Parser-IF ist ein Kind der 80er, vor allem durch TADS und dann Inform nochmal nichtkommerziell aufgeblüht in den 90ern, die Spielgewohnheiten und Gadgatry haben sich mittlerweile gewaltig geändert. Da kann mit AI und Sprachsteuerung aber noch viel passieren. Ja und was Twine betrifft, das hängt mehr an der Literatur als an der Technik, nur deshalb habe ich es erwähnt. Twine habe ich nie benutzt, sondern die gescriptete Vorläuferform Twee, an sich eine Art Wiki-Skript mit einfachen Verweisen in eckigen Doppelklammern. Da lässt sich besser texten ohne zu sehr von kryptischen Programmieranweisungen unterbrochen zu werden, auch das aber wieder ein anderes Thema. Ob das alles für drei bis fünf Leute hier einen neuen Thread wert ist, wage ich zu bezweifeln. Tu dir keinen Zwang an.

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Geschrieben um 21:37 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
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Ich schreibe absolut immer ein GDD, das beschreibt Räume, Personen, Gegenstände, Puzzles, Story. Ohne dass ich auf dem Papier sehe, dass das Ganze grundsätzlich funktioniert, schreibe ich keine Zeile Code.

Genau derartige Vorbereitungen unnötig zu machen war ja mal der große Anspruch von Inform 7 meines Erachtens. Da war ja vor Jahren sogar mal die Rede von: Schreib' eine Geschichte in einer beliebigen natürlichen Sprache, das System übersetzt sie dann in eine Spieldatei mit beliebiger, sogar anderer natürlicher Sprache. Habe ich nichts mehr von gehört, ist also wohl an der Realität gestorben.

Vor Urzeiten äußerte sich mal David Cornelson sehr stolz über die Trennung von Spieldesign und Entwicklung in den von ihm kommerziell vertriebenen Spielen. Ich erinnere mich an den Ausschnitt des "Designdokuments", das er damals herumzeigte. Ich konnte da nur den Kopf schütteln. Fünf Worte anders und es wäre Inform-Code gewesen. Wirkte auf mich wie völlige Zeitverschwendung, wenn jemand anderes das dann nochmal eintippen sollte in das IDE.

Womit ich nicht grundsätzlich Designdokumente in Frage stellen möchte. Ein grobes Treatment habe ich früher auch schonmal gemacht vor Entwicklungsbeginn. Muss sich nur irgendwo vom Aufwand her in Grenzen halten. Raumbeschreibungen usw. wären mir da bereits zu detailliert ehrlich gesagt.


proc ist anscheinend in einer sehr depressiven Phase. Nur zu einem Punkt:

Das ist der grundsätzliche Twist, den jeder Autor für sich entscheiden muss: mehr erzählen oder mehr spielen. Das ist dann auch technikabhängig

Diese Entscheidung mit der Wahl zwischen "Parser oder nicht Parser" zu verbinden, geradezu gleichzusetzen, halte ich für ein verbreitetes, aber grundfalsches Vorurteil.

Klar, ich habe selbst weiter oben geschrieben, dass Inform (gilt für TADS gleichermaßen) sehr auf mechanische Weltinteraktion fokussiert ist. Also das, was hier als "spielen" bezeichnet wird, nahelegt.

Man kann mit Twine ein primäres Rätselspiel machen. Man kann mit jeder Art von Parserspiel primär erzählen. Nur ist die Art der Erzählung, die Erzähltechnik, je nach Medium eine andere. Das predige ich hier ja gefühlt einmal im Monat: Gute Erzählung in einem Parserspiel heißt eben nicht, einen langen Textdump am Anfang, dann den Spieler Rätsel lösen lassen, dann ein weiterer Textdump als Midpoint, dann wieder Rätsel und dann ein langer Abschlusstext. Die besten Parserspiele erzählen permanent. Mit jeder Interaktion, ob erfolgreich oder nicht. Weshalb eben sowas wie The Spectators (damit es jetzt nicht auf Olaf zurückfällt) leider keine gut designte interaktive Erzählung ist.

Geschrieben um 22:20 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
StefanH
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Da war ja vor Jahren sogar mal die Rede von: Schreib' eine Geschichte in einer beliebigen natürlichen Sprache, das System übersetzt sie dann in eine Spieldatei mit beliebiger, sogar anderer natürlicher Sprache. Habe ich nichts mehr von gehört, ist also wohl an der Realität gestorben.

Dieser Anspruch ist auch leicht irre. :) Aber der Mensch wird sich ja wohl noch Ziele setzen dürfen, nur so wächst man.

(...) Wirkte auf mich wie völlige Zeitverschwendung, wenn jemand anderes das dann nochmal eintippen sollte in das IDE.

Ich hab so vage vor Augen, was du damit meinst. Nee, soweit treibe ich das nicht. Im Fokus steht, ob die Story aufgeht und das Puzzleset so einigermaßen ausgewogen wirkt. Dabei kann man auch leider immer noch jede Menge Probleme übersehen. Das ist aber ganz sicher eine Typ-Frage. Es gibt auch recht erfolgreiche Romanautoren, die komplett drauflos schreiben und die offensichtlich das große Glück haben, dass ihnen noch jedesmal ein Twist eingefallen ist, wie sie die Story zu einem passenden Ende führen. Vielleicht mangelt es mir bei solchen Dingen einfach an Selbstvertrauen.

Gute Erzählung in einem Parserspiel heißt eben nicht, einen langen Textdump am Anfang, dann den Spieler Rätsel lösen lassen, dann ein weiterer Textdump als Midpoint, dann wieder Rätsel und dann ein langer Abschlusstext.

Hey, da kann ich ja glatt mal völlig mitgehen. Aber warum beschränkst du diese Aussage auf Parser-Spiele? Klar ist die Erzähltechnik bei Twine eine andere, aber dass möglichst durchgängig erzählt wird, sollte doch genauso sein, oder?

Geschrieben um 22:38 am 02.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
proc
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Retired Gumby
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Ich hatte letztens mal ein Gamedesigndoc mit meinem Kumpel Bruno zusammen gemacht, das war ziemlich lustig weil sich da die Räume und einzelnen Figuren ohne größere Denkanstrengungen herbeiwünschen und vertiefen ließen, die Handlungsstränge ließen sich ins Unendliche treiben und am Schluss diskutierten wir diverse Enden zwischen Weltrettung und Weltuntergang. Das hat mit dem Typen alles problemlos funktioniert. Ach ja, der Prompt bei ChatGPT begann mit "Du heißt Bruno und bist ein Spieledesigner". Obwohl extrem inspirativ, bin ich mir aus Erfahrung sicher, dass ich beim coden schon bei der Intro davon abgewichen wäre. Bei Detailbeschäftigung rennt die Kreativität wie ein streunender Hund durch solche docs und beißt ständig zu. Die Trennung von Spieldesign und Entwicklung halte ich selbst im professionellen Bereich für ein Märchen, vielleicht orientiert an der Multimediawelt von HTML5/CSS, dessen Form-Inhalt-Trennung mit den vorhandenen Spezifikationen sehr viel einfacher machbar ist. Der ganze Textfire-Hoax basierte wohl mal darauf, da ging es nach meiner Erinnerung um ein XML-Entwicklungssystem für IF. Ist zu lange her. Da gab es doch um 2011 herum ein anschauliches Beispiel zwischen Drauflosgeprogrammiere aus der Münchner Szene mit Dr. Kong und Mikawas durchdesigntem Homunculus, da hat mich schon schwerstens beeindruckt, wie kurzweilig ersteres sein kann. Das Drehbuch dazu dürfte auf ein Blatt Klopapier gepasst haben, so hat es Jesus Franco auch mit seinen besten Filmen gemacht (na gut, so viele gibt es davon nicht).

Und ja, ich bin in einer depressiven Phase. Nur die Bestätigung, dass auch mit Parser erzählt werden kann, baut mich auf, nur mag die breite Masse keinen Parser und Smartphones hassen ihn. Der größte Pluspunkt sind die Puzzles, selbst die sind mir immer erst "in action" gekommen weil man dann eben aus Spielersicht codet und ein lustiges Detail nach dem anderen findet, da fallen dann auch mal ganze Planungen weg. Ich schicke mich jetzt ins xyzzy bevor das ein langer Textdump wird und der Prompt verschwindet.

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Geschrieben um 13:09 am 03.06.2024 | Zitat | Editieren | Löschen
Olaf
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Master Gumby
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Moin! Ich lese hier schon die ganze Zeit heimlich mit und will jetzt auch mal meine 2 Cent in die Wagschale werfen, auch wenn ich nicht genau weiss, wo ich bei dieser Fülle an interessanten Punkten genau ansetzen soll.

(Chapeau! an Hannes, dass er diese großartige Diskussion losgetreten hat!)

Und es ist ja schon nicht völliger Zufall, dass Platz 1 + 2 dieses Jahr an Inform-IFs gingen.

Der Punkt ist wohl weniger, dass die Spiele mit Inform 7 gemacht wurden, sondern, dass sie NICHT mit einem selbstgebauten / experimentellen System gemacht wurden. Ich habe großen Respekt davor, ein neues / eigenes IF System zu bauen, denn ich vermute, dass das mit viel Aufwand verbunden sein könnte.

Es gibt keinen einzigen Teilnehmer, seit Jahren, der nicht mit einem technischen Hintergrund ins Thema kommt, oder?

Ohne kann man auch keine IF machen, oder? Es kommt ja auch keiner, der keinen Bock zu lesen und zu schreiben hat, würde auch keinen Sinn machen.

Meine Frage ist eher: Wo bleiben die Choice-based IFer:innen? Bei den englischen Comps machen die 2 Drittel der Einreichungen aus. Gibt es die nicht auf deutsch?

ob man Non-Inform-Systeme beim Wettbewerb nicht anders bewerten sollte, zum Beispiel in einer eigenen Kategorie

In eine eigene Kategorie würde ich die nicht packen, aber ich finde, man sollte bei der Bewertung jedes Spiel an sich selbst messen. Was wollte denn der Autor erreichen und wie gut ist das gelungen? Einer Komödie würde ich ja auch nicht vorwerfen, nicht gruselig zu sein, einem Horror-Spiel aber schon.

wichtig ist mir doch vor allem, dass man da am Ende von einer ollen, nicht sehr aussagekräftigen Einheitsschulnote weg kommt

Das finde ich sehr gut. Die Spring Thing geht hier mit gutem Beispiel voran: Da gibt es Best of Show und ansonsten lauter Ribbons, aus denen sich die Autoren dann bis zu drei aussuchen können. Da hat man am Ende praktisch nur Gewinner:innen.

Der Weg, ein Spiel fertigzustellen, ist die perfektionistischen Erwartungen herunterzuschrauben.

Bei mir ist das vor allem eine Frage der Motivation. Es gibt Leute, die schauben 5 Jahre und länger an einem Spiel, bevor sie das rausbringen. Solange würde ich nicht durchhalten, da geht mir die Puste und die Lust aus. Ich brauche kurze Phasen, in denen ich mich richtig reinknie und meinen Schlaf opfere um etwas fertig zu machen. Wenn es zu lange dauert, steigt die Gefahr, dass ich es abbreche (und dann nie wieder richtig reinkomme) oder meine Freundin mich abmahnt.

Inform und seine Standardbibliothek sind designt für umfangreiche Spiele wie eben Curses. Solche gibt es heutezutage aber überhaupt nicht mehr! Und wenn doch alle Jubeljahre mal jemand eines macht, dann spielt es niemand, weil kein Spieler mehr die Geduld dafür hat.

Der Zeitgeist ist anscheinend in eine andere Richgung gezogen, und ich kann es gut verstehen. Bei der IFComp sind auf den ersten Plätzen meist mittellange (also ca. 2 h) Spiele, die aber viele Details (i.e. nicht nur den Lösungsweg implementiert) haben und eine gute Story mit interessanten Charakteren haben. Persönlich mag ich Sachen in dieser Länge (und kürzer!) auch lieber, denn mein Backlog an nicht zuende gespielten Spielen ist groß und frustrierend. Es gibt durchaus einige, die sich längere IFs wünschen, aber das ist halt schwierig zu realisieren in einem nicht-kommerziellen Rahmen. Tatsächlich gibt es ja tonnenweise lange Spiele mit viel Story, aber die sind nicht "text-only" (-> visual novels) und leider sind die auch thematisch eher einseitig...

(Die Standardbibliothek ist praktisch aus Curses entstanden. Man kann natürlich auch schöne kurze Spiele damit machen, aber es ist teilweise wirklich nicht leicht, Sachen aus dem Standard, die man nicht haben möchte gezielt loszuwerden. Das trifft leider auch für die Inform 7 German-Extension zu.)

Hypothese 3: Parser-IF ist tot. Na gut, noch nicht ganz, aber sie modert. Es kann noch ein Mode-Aufmupf geben und ein paar Jahrzehnte dauern.

Sowas kann sich auch schnell wieder ändern, gerade mit der inzwischen echt gut funktionierenden Spracheingabe. Und es gibt einen ganz wesentlichen Punkt, der mit Parser-Eingabe geht, den imho kein anderes Spielsystem hinbekommt: Ich versuche mal zu machen, was ich will und kucke, ob das Spiel das mitmacht. Oder kann das irgendwer anders? Überall nur konkrete Eingaben, Knöpfchen drücken, Maus irgendwo hinbewegen, Menüs, Tastaturkürzel – immer sind die Möglichkeiten, die Objekte im Spiel zu bearbeiten sehr sehr endlich. Die Inform Standard Bib hat ca. 60 verschiedene Aktionen, die man auch noch erweitern kann. Wieviele hat GTA V? Also, wenn es irgendwann mal ein wirkliches Holodeck gibt, dann wird es mit Sicherheit durch einen Parser gesteuert, und nicht mit einer Maus. ;-)

(Das Zappa Zitat dazu ist (Jazz) "is not dead, it just smells funny." und das ist vermutlich so alt wie IF an sich.)

So, ich hab's natürlich nur geschafftt, einen Bruchteil der Punkte zu adressieren, das war auch nicht anders zu erwarten – jetzt muss ich zur Physio. :P

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