Ich unterrichte gerade ein W-Seminar in Bayern - irgendein solches müssen Schülerinnen und Schüler am Gymnasium in der Oberstufe besuchen und eine wissenschaftliche Arbeit dazu schreiben, 10-15 Seiten.

Dazu bieten die Schulen verschiedene Seminare an, und meines beschäftigt sich mit "text-based computer games". Das zählt als Englisch-Kurs, die freiwilligen Teilnehmer interessieren sich also eher für Englisch als für Computer, haben sich aber trotzdem nicht abschrecken lassen. Im Moment gewöhnen sie sich noch ans Genre.

Spiele weiß ich viele, mit denen wir uns beschäftigen können, im Idealfall: nicht zu schwer, eher kurz. Was ich aber noch gar nicht groß weiß, auch weil es noch nicht sehr eilt: Was für Themen für den Aufsatz kann ich stellen? Fällt euch da etwas ein?

Die Themen sollen sich eher an gesellschafts- und literaturwissenschaftlichen Themen interessieren, letztlich weil das den Schülern und Schülerinnen näher liegt. (Wenn einer selber etwas praktisch schreiben will, oder ein sehr spielernahes Thema wählt: von mir aus sehr gerne. "The use of mazes in IF, 1976 to present" geht wohl nur, wenn man das Genre liebt.)

Ich freue mich über Anregungen!

Was generell immer interessant ist, sind Sachen bezüglich der Erzählperspektive und -technik:

• Zweite Person als beinahe exklusives Spezifikum des Textadventuregenres (gegenüber anderen Erzählformen) - warum und wieso?

• Die "Dreifaltigkeit" des Erzählers, Protagonisten und Spielers

• Umgang mit Fehlversuchen des Spielers: wie den Rezipienten bei der Stange halten, wenn die Geschichte nicht vorwärts geht?

Wenn's eher spezifische Themen historischer Natur sein sollen, hätte ich folgende Idee (sehr gut abgegrenztes Thema, von daher evtl. besser für eine solch kurze Abhandlung): Der damals unerhörte Umgang mit Spielererwartungen in Infidel und was das für das Genre im Bezug auf die Entwicklung von reinen Schatzsuchen zu stärker erzählerisch geprägten Werken bedeutete.

Danke dir! Infidel hatte ich vergessen, gute Idee. (Die anderen auch.)

Zu konkreten Textspielen können alle klassische Literaturfragen nach Dramaturgie, Sprachgebrauch, Genre, kulturelle Referenzen usw. gestellt werden. Interessant sind Spiele, die irgendwo eine Grenze überschreiten und daher besonders diskutabel werden. Ein paar Beispiele, jetzt nun wirklcih aus der Nase gezogen:

Struktur allgemein:

• Warum Schätze finden?

• Warum Scores [resp. gute Noten]?

• Was erzählen Mazes?

• Was erzählen Rätsel?

• Welche erzählerischen Einschränkungen hat der Autor mit einem Spieler als Protagonist? (--> Hannes-Perspektivthema: Warum überwiegend "Du"?)

• Wie legen Technologien Erzählform und Erzählmöglichkeiten fest? (Heißes Thema seit Twine-Hype.)

Technik:

• Escape From Summerland, Ollie Ollie Oxen Free, Guilded Youth, Dames and Deadites 1: Was können multiple Perspektiven erzählen?

• Galatea, Rameses, Death Off the Cuff, ELIZA 1966: Wie kann der Rechner sprechen?

• Coloratura, The Elfen Maiden, Homecoming: Wie können Dinge erzählen?

• It, Six, Pac-Man, Pong, Centipede: Was erzählen Action-Games?

Kulturelle Referenzen:

• Hill 160, Sunday Afternoon, Gigantomania ua.: Kann Geschichte erspielt werden?

• The Blind House, Ollie Ollie Oxen Free, Violet, Guilded Youth, Venus Meets Venus uvm.: Transgender, Homosexualität, Geschlechterabstraktion - Voyeurismus oder Aufklärung?

• Moquette, howling dogs, Sam and Leo Go To The Bodega: Lassen sich Erfahrungen erspielen?

• One Eye Open, Divis Mortis, Gris et Jaune, The Blind House: Wen gruselt es heute noch und vor allem wie?

• The Bible Retold (div.), Cana According to Micah, Tenth Plague: Warum gibt es noch keine islamistische IF?

• The Elfen Maiden, Guilded Youth, The Entropy Cage: Wie real ist virtuell erzählte Virtualität?

• Suicide, Everything you swallow will one day come up like a stone: Wie bringe ich mich effektiv um (oder auch nicht)?

Als Special ist mir abschließend noch besonders positiv in Erinnerung (na gut, etwas satirisch):

• The Play (2011): Wie seriell muss eine exzellente interaktive Erzählung sein um die konservativen Lektorate großer Verlage zu überzeugen?

Reines Brainstorming, ich halte die Themenauswahl bzw. -vorgabe hinsichtlich Textspiele für unerschöpflich da sie sich naturgemäß auf übliche literarische Fragestellungen beziehen, aber nunmal eben auch darüber hinausgehen kann. Das ist der ultimative Reiz.

Tausend Dank für die Anregungen! Wenn ich die mal zusammengeschrieben und selber Gednaken geklärt habe, poste ich meine Themenvorschläge.