Geschrieben um 14:25 am 15.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 40 | Jedes Medium hat Stärken und Schwächen. In diesem Thread geht es um grundsätzliche Probleme von IF, aber auch um Vorschläge, wie damit umzugehen ist. Der folgende Text kann entmutigen, ist aber als Anregung und Ansporn gedacht. Computerspiele unterscheiden sich wesentlich von Theater, Filmen, Romanen: Subtile, komplexe Charakterinteraktionen sind in Computerspielen nicht möglich abgesehen von Zwischensequenzen und Online-Spielen. -> Vorschlag: special topics (siehe hier) Unterhaltsame Geschichten haben ein hohes Verhältnis von Handlung/Beschreibung. IF hat ein niedriges Verhältnis von Handlung/Beschreibung. -> Vorschläge: wenig Text auf einmal; interessante Schlauplätze und Interaktionen. Charakterisierung des Protagonisten und dramaturgische Effizienz vertragen sich schlecht mit der Freiheit des Spielers. -> Vorschlag: Scenario transcends narrative (S. John Ross, game designer) Introspektion verträgt sich schlecht mit der Selbstbestimmtheit des Spielers. Ein Unterschied zwischen Spiel und Arbeit ist der Gegensatz von Selbst- und Fremdbestimmtheit. Wird dem Spieler vorgeschrieben, was er zu fühlen und zu denken hat, wird der Spielspaß durch Fremdbestimmtheit gemindert. -> Vorschlag: subtile Mittel nutzen, z.B. Assoziationen und Wortwahl bei Beschreibungen. Parserprobleme: Besonders deswegen verlieren Neulingen schnell den Spaß. Problem Nr. 1: Der Spieler kann seine Ideen nicht umsetzen. Problem Nr. 2: Der Spieler kennt seine Möglichkeiten nicht. -> Vorschläge: viele Synonyme und Verben; Tutorial im Spiel. Rätsel funktionieren in der Praxis selten. Ein Unterschied zwischen Spiel und Arbeit ist, dass man im Spiel erfreulich viel Einfluss und Erfolg verspürt. Rätsel erzeugen aber eher Ohnmacht und Frustration. -> Vorschlag: Sei bereit, die meisten der ersonnenen Rätsel in den Mülleimer zu werfen. Wenn Beta-Tester sagen, dass ein Rätsel frustriert, muss es raus oder verändert werden, selbst wenn es irgendwie cool ist, Du bereits zehn Stunden investiert hast oder es sogar Dein Lieblingsrätsel ist. Hilfreiches zum Rätsel-Design gibt es hinter diesem Link. Zum Abschluß ein amüsanter Auszug aus einem Interview mit einem IF-Autor: Zitat:
Adam: Self-delusion. Followed at some distance by obsessive-compulsive disorder and a Rabbinical love of argument for its own sake. Jacek: Could you elaborate on the self-delusion part? Adam: You work for six years, and maybe 5000 hours, on a game that perhaps fifty people play, six of whom write reviews, three of which are positive. You have to delude yourself somehow that it matters. Even if you're fairly up-front with yourself that it's self-gratification, actual masturbation gives you a whole lot better effort-to-reward ratio. Man kann es auch positiv ausdrücken: IF-Autoren sind vor allem intrinsisch motiviert. Wie auch immer, mein Wahnsinn / meine Motivation ist stark genug, um mich für die genannten Problemen und eure Meinungen zu interessieren: Was sind eure Vorschläge? Fallen euch weitere Probleme ein? |
Geschrieben um 17:31 am 15.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Gast | Gespräche können zum Problem werden. Es heißt zwar immer, Gespräche wären etwas, was IF gut kann, aber sie kann auch große Probleme verursachen. Beispiel: Die klassische Detektiv-Story. Im Gespräch zwischen Detektiv und Klienten - woher soll das Spiel wissen, wer der Meinung des Detektivs nach der Täter war? Das Spiel kann wissen, was der Spieler gesehen hat - zum Beispiel irgendein verräterrisches Indiz. Es kann aber nicht wissen, welche Schlüsse der Spieler aus diesem Indiz geschlossen hat. Die "Du kannst über [...] reden"/ "Du kannst fragen, ob [...]"/ "Du kannst sagen, dass [...]"-Liste, die gewöhnlich angezeigt wird - Wie sollte die aussehen? "Du kannst sagen, du glaubst, dass [...] der Mörder ist."??? Das kann einen Spieler, der schon auf der richtigen Fährte ist, wieder auf eine falsche locken, aber auch jemandem, der noch keine Ahnung hat, vom Autor eigentlich unerwünschte Tipps geben. Auch sonst sind Gespräche schwierig: Was soll der Spieler machen, wenn das, was er sagen will, schlicht nicht in der Liste ist? Wie kann das Spiel herausfinden, was der Spieler weiß, und vor allem, was er denkt und den Verlauf des Gesprächs davon abhängig machen? Es ist wohl wesentlich einfacher, den NPC zur treibenden Kraft des Gesprächs zu machen, ihn die Fragen stellen zu lassen... |
Geschrieben um 22:26 am 22.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 40 | @Krähe: Ein gutes Beispiel. NPCs tragen zum Ambiente und zur Lebendigkeit bei, aber als Teil eines Rätsel werden sie leicht zum Ärgernis. Computerspiele sind generell schlecht darin, Mentales zu berücksichtigen oder zu simulieren. Dieser Gedanke führt zum nächsten Problem: Die IF-Spielmechanik definiert einen weiten, aber begrenzten Rahmen für das Verhalten des Protagonisten. Daher gleichen sich alle IF-Spiele in einigen Punkten: Der Protagonist untersucht alles mit detektivischer Genauigkeit und/oder fragt Leute aus, er steckt möglichst alles ein und manipuliert Dinge auf ungewöhnliche Weise. Any story which requires a lot of personal or abstract choices [ ] collides rudely with the boundaries of parser games. There are only so many ways to represent your character's moods/suspicions/affections/worry/fear/intentions/etc by fiddling with objects and moving between rooms before the sense of blunt-instrument gimmickry induces eye-rolling. (S. John Ross) -> Vorschläge: Symbolische Aktionen, special topics Bewegung in IF kann mühselig sein. Orientierung ist nicht intuitiv in IF; daher muss eine Karte gezeichnet werden was lästig sein kann: Bei einem alten Spiel habe ich eine ganze Stunde Räume eingezeichnet, ohne dass etwas Interessantes passiert ist. Große Karten haben außerdem den Nachteil, dass man immer wieder ermüdend viele Räume durchquert. -> Vorschläge: Auto-Mapping; Tipps von Emily Short lesen; gehe zu , um direkt zum Zielort zu gelangen. Sprache hat Vor- und Nachteile. Vorteile: Assoziationen, Gefühle, Vages, Traumartiges und Abstraktes lassen sich vermitteln. Es bleibt Raum für Imagination. Nachteile: Komplizierte Strukturen zu beschreiben, resultiert in lang(weilig)en, schwer verständlichen Texten. Diffizile Architektur sowie vertrackte, mechanische Rätsel sind daher ungeeignet. -> Vorschläge: Bei der Wahl der Schauplätze und Rätsel berücksichtige man die Stärken und Schwächen von Sprache oder man blende Skizzen ein. |
Geschrieben um 01:37 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 66 | Ein wichtiger Denkanstoß, der mich einige Zeit beschäftigt hat. Hier nun meine Gedanken zu den aufgeworfenen Problemen: IF ist als Medium für mich weit mehr als nur Spiel, auch wenn die Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft wurden. Manche der genannten Probleme erscheinen weniger gravierend, wenn man nicht allein mit Maßstäben des (Computer-)Spieldesigns vergleicht. Im direkten Vergleich zu anderen Computerspielgenres verliert IF in fast jeder Disziplin. Nyarlathotep:
Dieses Problem wiegt schwer, vor allem, wenn man eben mehr will als ein Spielchen für die Mittagspause. Selbst kommerzielle Spiele mit Millionenbudget kommen über roboterhaft agierende Abziehbilder mit ein paar vorgegebenen Standardantworten selten hinaus. Zitat:
-> Vorschläge: wenig Text auf einmal; interessante Schlauplätze und Interaktionen. Ich persönlich mag Beschreibungen, wenn sie interessant geschrieben sind. Sie helfen mir, in die Atmosphäre einzutauchen und mich in der simulierten Welt einzuleben. Emotionen können nicht in knappen, drehbuchartigen Texten vermittelt werden und eine Spielwelt authentisch erscheinen zu lassen braucht einfach etwas Raum. Natürlich kann man die Spieler ("Interakteure") nicht mit Beschreibungen Thomas Mannscher Dimensionen zutexten, aber ich halte Binsenweisheiten wie "show, don't tell" nicht immer für der Weisheit letzten Schluss. Vielleicht liest jemand, der IF nutzt, ja sogar recht gern? Zitat:
Dies ist wirklich Ansichtssache. Ein "ausformulierter" Protagonist wirkt glaubwürdig, seine Geschichte nicht beliebig. Für Beschreibungen und Gespräche ergibt sich die Möglichkeit größerer Tiefe. Andererseits schreibt man dem Nutzer damit natürlich vor, wer er zu sein hat. Ohne dieses Problem herunterspielen zu wollen (wie habe ich mich über den Kerl in "Risen" geärgert, der immer anders reagiert hat, als ich wollte), so bin ich doch ein Verfechter der vorgefertigten Figuren. Mir gefallen auch Spiele, bei denen ich eine vorgefertigte, aber spannende, anrührende Geschichte erleben kann, immer besser als nichtssagende Baukastenszenarien, bei denen ich zwar machen kann, was ich will, dies aber belanglos bleibt. Zitat:
Ein Unterschied zwischen Spiel und Arbeit ist der Gegensatz von Selbst- und Fremdbestimmtheit. Wird dem Spieler vorgeschrieben, was er zu fühlen und zu denken hat, wird der Spielspaß durch Fremdbestimmtheit gemindert. Introspektion is aber einer der Vorzüge von IF gegenüber grafisch orientierten Spielen. In meinem ersten Spiel spielt Introspektion DIE entscheidende Rolle, es geht vor allem um die Gefühle, die der Spieler nachempfinden soll. In Release 2 werde ich diesen Aspekt eher noch mehr betonen. Eines meiner Lieblingsspiele ist "Syberia". Hier bin ich eindeutig fremdbestimmt und spiele eine Frau, deren wichtige Entscheidungen ich nicht beeinflussen kann; ich kann ihr aber helfen, auf ihrem Weg voranzukommen und daran teilhaben. Wer projiziert denn tatsächlich sich selbst in eine(n) Protagonisten/in hinein? Mir ist jedenfalls beim Spielen ebenso bewusst, dass ich kein elfischer Bogenschütze bin, wie ich beim Lesen weiß, dass ich nicht Tom Sawyer heiße; das ist mir aber in dem Moment egal. Zitat:
Problem Nr. 1: Der Spieler kann seine Ideen nicht umsetzen. Problem Nr. 2: Der Spieler kennt seine Möglichkeiten nicht. -> Vorschläge: viele Synonyme und Verben; Tutorial im Spiel. Dieses Problem ist für mich kein grundsätzliches des Mediums IF, sondern eines der individuellen Programmierung/des Testens. Technisch scheint mir inzwischen vieles möglich, um Parser-Frust zu vermeiden. "Guess the verb" ist heute kein technisch bedingtes notwendiges Übel mehr, sondern Kriterium schlechter Programmierung. Es stimmt allerdings, dass Neulinge an Genrekonventionen herangeführt werden müssen. Ich hatte dies mit einem PDF-Handbuch versucht; Ingame-Tutorials sind natürlich eleganter. Zitat:
... vor allem dann, wenn sie zum Selbstzweck eingebaut werden und sich nicht aus der Handlung ergeben. Klassische Rätsel mit Hebeln und herumzutragenden Objekten halte ich für veraltet - dass sich bei meinem Erstlingswerk ein solches eingebaut habe, halte ich für meinen größten Fehler, vor allem, da es nicht ins Konzept passt, wie Martin Oehm völlig zutreffend bemerkt hat. Zitat:
Ohne jetzt näher auf die eigentümliche "Kosten-Nutzen-Rechnung" einzugehen, bleibt natürlich festzuhalten, dass das Entwerfen und Programmieren, das Erschaffen einer eigenen Welt mit eigenen Regeln erst einmal seinen Zweck in sich selbst trägt; richtig ist aber auch, dass man als Autor nach jeder Rückmeldung lechzt; denn was ist trauriger als ein Buch, das nicht gelesen, oder ein Spiel, das nicht gespielt wird? Ein Hauptproblem heutiger IF ist meiner Meinung nach ihre geschichtliche Stellung und die damit verbundene Einordnung der aktuellen Szene als ein Revival oller Kamellen. Um Neulinge für IF zu begeistern, würde ich bestimmt nicht sagen "Weißt du, solche Spiele hat man gespielt, als es noch keine Grafik ..." Dieser museale Zugang verschleiert völlig, dass IF etwas bieten kann, das heute im Vergleich zu den Mainstream-Spielen geradezu neu und frisch erscheinen muss. Man nehme Aaron Reeds "Sand-Dancer". Es ist eine interaktive Kurzgeschichte mit einem recht klar definierten (Anti-)Helden, dessen Geschick man aber entscheidend selbst bestimmt. Das Setting, eine Mischung aus realer Welt und surrealen Elementen und die ganze Geschichte wirken stimmig und atmosphärisch. Dies ist für mich eine völlig neue Art des Erzählens und Spielens und es wird auch all denen, die keine früheren Erfahrungen mit Spielen von Infocom etc. haben, als von heutigem Durschnittseinerlei prinzipiell unterschiedlich erscheinen. Also nicht: "Wir machen wieder Spiele wie in den Achtzigern", sondern "Wir machen Spiele, die einfach anders sind". Aber auch hier hängt vieles davon ab, wie man IF definiert, ob man sie z. B. mit "Textadventure" gleichsetzt. Ich persönlich halte IF eben eher für eine interaktive Form der Literatur als für "Monkey Island" ohne Bilder. |
Geschrieben um 11:52 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Retired Gumby Beiträge: 671 | Zu dem Adam Thornton-Zitat, das mir schon recht erhellend erscheint, würde ich aber noch anmerken, dass man die Zahl fünfzig hierzulande nochmal durch fünf dividieren darf. Gebe dir Recht, dass der Retro-Aspekt alleine der Sache sicherlich nicht dienlich ist. Wir machen trotzdem mal weiter;-) |
Geschrieben um 19:08 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Prof Gumby Beiträge: 596 | Ich persoenlich benutze den Begriff "Retro" nicht, da ich ihn fuer voellig peinlich halte. Trotzdem bin ich inhaltlich diesbezueglich voellig anderer Ansicht! Dieser apologetische Trend, die eigenen Wurzeln als "unangenehm" zu verklaeren, muss aufhoeren. Siehe das andere Thema: Alles herunterzureden, nur weil es "alt" ist, ist hoechst gefaehrlich und auch absolut unserioes. In keinem anderen Unterhaltungsmedium (ob Filme, Romane, Musik) kommt man mit solchen Stellungnahmen, die rein auf der Formel basieren, dass neu = gut durch. Wieso bitte bei Computerspielen? Das ist fuer mich ein Zeichen eines (noch?) nicht erwachsenen Mediums oder zumindest eines unernsten Umgangs damit. |
Geschrieben um 20:49 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Gast | Na ja, die Interactive Fiction hat ihre Ursprünge sicherlich in den Textadventures der 80er, aber das Medium hat sich doch weiterentwichkelt; Die Entwicklung weg vom rein rätselbasierten Computerspiel zur (häufig) stark storybasierten interaktiven Geschichte, in der die Rätsel nur noch eine Nebenrolle haben, heißt für mich: Ja, unsere Wurzeln sind da, aber wir haben uns weiterentwickelt und IF ist ein modernes Medium. Oder würde jemand ein nagelneues Auto als antiquiert bezeichnen, nur weil das Auto vor über 100 Jahren erfunden wurde |
Geschrieben um 21:11 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Prof Gumby Beiträge: 596 | Krähe:
Ja, genau so einen Quatsch meine ich - zum Kotzen! Übrigens: "Interactive Fiction" = Marketingterminus aus den 1980er Jahren. Wenn schon dermaßen arrogante Statements, dann doch bitte mit einer konsistenten Basis! |
Geschrieben um 21:23 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 66 | Hannes:
Diese Wurzeln sind mir keineswegs unangenehm; es ging mir mehr darum, dass die Geschichte der IF Neulinge zunächst keinen Deut interessieren dürfte oder zumindest kein starkes Argument für die Beschäftigung mit IF abgeben wird. Wenn ich nach einer Definition von IF gefragt würde, würde ich eher ihre Eigen- und Besonderheiten beschreiben als ihre Herkunft - nicht weil ich mich dafür schämen würde, sondern weil ich es für sekundär halte. Zitat:
Alt und neu interessieren mich per se überhaupt nicht. Entscheidend finde ich, wenn es um die Gewinnung neuer Interessenten geht, das Anderssein der IF zu betonen, die Faszination, der das reduzierte, archaisch anmutende äußere Erscheinungsbild mehr als kompensiert. Wenn die Meinung existieren sollte - was ich nicht empirisch belegen kann -, dass IF heute vor allem von Computerfreaks geschrieben und konsumiert wird, die in der Vergangenheit steckengeblieben sind und "Früher war alles besser" auf dem T-Shirt stehen haben, dann hielte ich den Hinweis für angebracht, dass die Freunde der IF diese nicht (allein) aus nostalgischen Gründen am Leben erhalten, sondern (vor allem) weil sie ein Medium ist, das heute eine echte Lücke füllt. Mit anderen Worten: Wenn es IF nicht schon gäbe, müsste man sie erfinden! |
Geschrieben um 21:33 am 23.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 66 | Hannes:
Ich denke, einen solchen Tonfall und Stil haben wir hier nicht nötig. Zitat:
Ich frage mich doch, wer hier arrogant auftritt! Wir reden hier über Inhalte, und dieser schulmeisternde Kommentar trägt dazu überhaupt nichts bei. Krähes Gedanke ist völlig klar formuliert und die begriffliche Unschärfe ist hier nicht entscheidend und schon gar kein Grund, ausfallend zu werden. Vielleicht sollten wir also wieder zur Sache zurückkommen. |
Geschrieben um 02:31 am 24.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Retired Gumby Beiträge: 1062 | Hannes:
Danke, Hannes. Sehe ich auch so. Krähe:
Eben. Ebensowenig würde ein Romanleser einen brandaktuellen Roman für antiquiert halten, nur weil die Gattung schon länger existiert. Wenn man tradierte Kulturtechniken grundsätzlich ablehnt, darf man auch keinen Wein mehr trinken. Oder Bier. Red Bull, Tunnel und Co. (TM) sind ja auch lecker. |
Geschrieben um 15:11 am 26.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Prof Gumby Beiträge: 596 | FrankS:
Eben denn genau das würde ich als retro bezeichnen: Gut, weil es alt ist. Und das ist genauso dumm, wie gut, weil neu. Und da mir hier ja nun Einiges vorgeworfen wird, will ich das nochmal ganz im Detail darauf eingehen: Krähe:
Mehr als zweifelhaft! Spiele wie Mindwheel oder The Hound of Shadow legten bereits in den 80er Jahren ganz klar den Fokus auf das Erzählerische. Genauso gibt es heutzutage das genaue Gegenteil. Da hilft auch ein billig relativierendes häufig wenig hier werden nur platte Vorurteile wiedergekäut. Das lässt sich im Übrigen empirisch mehr als leicht belegen. Schau dir an, was in den letzten Jahren im Grand Prix oder in der IF Comp so veröffentlicht wurde. Sicher, das, was in entsprechenden Zirkeln dann nachher hochgejubelt wird, kommt meist aus einer Richtung. Und damit sind wir genau wieder bei dem anscheinend verbreiteten fremdschämen: Immer schön totschweigen, wie die wirkliche Bandbreite des Genres ist nur das zeigen/erwähnen, was genehm ist. Usw. usf. Herr Frank S. bittet darum, zum Thema zurückzukommen. Genau das ist aber doch das Thema: Ihr sprecht davon, wie ihr anderen Leuten das Genre nahebringen würdet. Im Speziellen, dass es aus mehr besteht, als einer wie auch immer gearteten Vergangenheit. Und das ist auch richtig so. Doch die gleichen Maßstäbe muss man doch wohl auch für eben jene inhaltliche und stilistische Bandbreite ansetzen. Deshalb sind Aussagen wie früher ging es um abstrakte Rätsel, heutzutage um Geschichten völlig fehl am Platze! Nicht nur, weil es empirisch nicht belegbar ist, sondern auch, weil diese beiden Aspekte überhaupt keinen Widerspruch darstellen. Der wird nur immer wieder konstruiert. Krähe:
und genau diese Aussage bringt mich wirklich auf die Palme! Denn was du hiermit sagst, ist dass alle alten Spiele antiquiert sind. Viel abwertender kann man wohl kaum reden! Und um ein Missverständnis kann es sich hierbei ja nicht handeln, denn Frank betohnt ja extra, dass das völlig klar formuliert ist. Dem stimme ich zu: Völlig klar und absolut ignorant. Goethe, Shakespeare & Co. sind also auch antiquiert Russendisko oder Fleisch ist mein Gemüse sind selbstverständlich viel wertvollere Literatur. Schließlich hat sich die Literatur weiterentwickelt. Und wie kommt das bloß, dass immer wieder Citizen Kane an der Spitze von Kritikerbestenlisten auftaucht, wenn Ghost Rider garantiert viel zeitgemäßer ist? Oder, ohne Sarkasmus: Es gab früher viel Schrott. Es gibt heute viel Schrott. Es gibt viele alte Sachen, die immer noch super sind und die ich ohne Einschränkungen und Bedenken sofort auch Neulingen empfehlen würde. Genauso gibt es auch aktuellere, für die das gleiche gilt. Deshalb nochmal, da man es wirklich nicht häufig genug sagen kann: Wenn ihr Jemanden bekehren wollt, dann sind solche Rechtfertigungsarien wie das ist heutzutage völlig anders, als dieser komische Kram aus den 80ern genauso unangebracht und falsch, wie so waren Computerspiele, bevor man Grafik hatte. Und genau deshalb kann ich mich auch Aussagen wie Zitat:
Ein Unterschied zwischen Spiel und Arbeit ist, dass man im Spiel erfreulich viel Einfluss und Erfolg verspürt. Rätsel erzeugen aber eher Ohnmacht und Frustration. -> Vorschlag: Sei bereit, die meisten der ersonnenen Rätsel in den Mülleimer zu werfen. Wenn Beta-Tester sagen, dass ein Rätsel frustriert, muss es raus oder verändert werden, selbst wenn es irgendwie cool ist, Du bereits zehn Stunden investiert hast oder es sogar Dein Lieblingsrätsel ist. überhaupt nicht anschließen. Da müsste man erstmal fragen: Wer sind deine Betatester? Leider ist die Auswahl da ja heutzutage sehr beschränkt. Ob und inwieweit sie bei allem Einsatz für das Spiel repräsentativ sind für die letztendliche Zielgruppe, müsste man schon in Zweifel ziehen dürfen. Ich finde es immer wieder interessant, für was für tolle Poeten sich anscheinend die meisten IF-Autoren heutzutage halten. Denn wenn sie selbstverständlich keinerlei ernsthaft interaktive Elemente (z.B. Rätsel) einbauen, dann müssen sie ja davon ausgehen, dass ihre Geschichte und ihr Schreibstil allein gut genug sind, die Leser zu fesseln. Um diesbezüglich mal ein Kriterium aufzustellen, wie es eingangs im Thema geschehen ist: Wenn ihr ein Spiel ohne Rätsel oder andere spielerische Elemente macht, dann überlegt euch, ob ihr meint, dass eure Geschichte auch in reiner Textform (d.h. ohne IF-Interpreter, sondern beispielsweise auf einer Seite für Amateurkurzgeschichten) ebenfalls eine Leserschaft finden würde. Wenn ihr davon nicht überzeugt seid, seid ihr auf dem falschen Weg. |
Geschrieben um 15:57 am 26.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Gast | Halt. Ich sage nicht, dass die alten Spiele mies sind. Ich sage nur, dass IF auch heute noch ein modernes Medium ist. Die Spiele von damals sind sicher nicht antiquiert, auch heute noch sind ja zum Beispiel die Bücher von Douglas Adams nicht antiquiert - "Per Anhalter durch die Galaxis" ist heute ein genauso gutes Buch wie damals. |
Geschrieben um 16:31 am 26.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 66 | Zitat:
Alt und neu gegeneinander auszuspielen ist in der Tat sinnlos. Eine weit bessere Unterteilung ist immer die zwischen gut und schlecht. Und natürlich würde niemand Shakespeare, Beethoven und Michelangelo als "veraltet" bezeichnen. Entscheidend ist für mich nicht, dass heutige IF anders ist als die vor dreißig Jahren, sondern, dass sie anders ist als die meisten anderen Spiele heute. Zitat: Ich finde es immer wieder interessant, für was für tolle Poeten sich anscheinend die meisten IF-Autoren heutzutage halten. Denn wenn sie selbstverständlich keinerlei ernsthaft interaktive Elemente (z.B. Rätsel) einbauen, dann müssen sie ja davon ausgehen, dass ihre Geschichte und ihr Schreibstil allein gut genug sind, die Leser zu fesseln. Keiner sagt hier, dass er sich für toll hielte. Es geht hier um eine bevorzugte Spielart der IF, eine Art Idealvorstellung. Ob wir selber diese erfüllen können, steht auf einem ganz anderen Blatt. Und ein flüssiger Schreibstil, sprachliche Richtigkeit etc. sind immer Voraussetzung, auch wenn es nicht um die sogenannte hohe Literatur geht. Völlig richtig ist aber: Je mehr sich ein Autor vom drehbuchartig knappen Rätselspiel in Richtung interaktive Kurzgeschichte bewegt, desto höher werden auch die Ansprüche an die sprachliche Ausführung, Spannungsbogen, Charakterisierung etc. Außerdem wird es in der Tat sehr schwierig, überhaupt noch Interaktivität zu ermöglichen. Überhaupt scheint mir dies als das Faszinierende und zugleich Schwierige an IF: Wo es in anderen Genres ein Team von Experten gibt, die gemeinsam ein Spiel konzipieren und umsetzen, haben wir es bei IF in der Regel mit Einzelautoren zu tun, die gleichzeitig ein Spiel designen, Texte schreiben und programmieren müssen. Niemand beherrscht diese drei Disziplinen gleich gut; den meisten Spielen merkt man an, wo jeweils die Schwäche liegt. Andererseits ist es ein tolles Gefühl, das fertige "Produkt" ganz allein zu verantworten - mit seinen Stärken und Schwächen. Zitat:
Dem kann ich nur zustimmen. Nur noch kurz zu den Rätseln - hier gibt es natürlich eine große Bandbreite an Möglichkeiten, und auch ein eher "literarisch" angelegtes Spiel wird auf Probleme und Problemlösungen nicht verzichten (können), nur dass diese nicht unbedingt dem Schema "Ziehe den richtigen Hebel, um die Tür zu öffnen" oder "Finde die drei Edelsteine" oder ... entsprechen müssen. Auch einen weiteren Turm von Hanoi oder Rätsel betreffend einen Fuchs, eine Gans und einen Sack Getreide, die alle unbeschadet das andere Flussufer erreichen müssen, brauche ich nicht mehr. Aber das gilt für jede Art von Spiel. |
Geschrieben um 17:58 am 26.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 40 | FrankS:
Das kann ich nachvollziehen. Der Spielcharakter lässt sich abschwächen. Beispielsweise gilt: Je weniger Rätsel, desto schwächer der Spielcharakter. Dieser Punkt ist wichtig bei ernsten Geschichten. Zwar vermute ich, dass Geschichten reich an Rätseln und trotzdem ernsthaft sein können, aber das sind wohl eher Ausnahmen. Man stelle sich vor: Rätsel-Spaß in Auschwitz. Daher ist es gut, dass bei IF der Spielcharakter variiert werden kann. FrankS:
Ich habe den Eindruck, dass hier die Meinungen auseinandergehen. Vielleicht werde ich mal einen Thread dazu aufmachen. FrankS:
Hm, ist die geschichtliche Stellung wirklich so abschreckend? Irgendein großes Problem muss es geben, denn selbst mittelmäßige Grafikspiele sind populärer als IF. Weiß jemand, ob das mal systematisch untersucht wurde? Was sagen eure Bekannten eigentlich zu IF? Nach diesem Interview-Ausschnitt zumindest wenig Positives: Zitat:
Christian: Meine Freunde freuen sich, dass ich sie - meistens - mit dem Thema in Ruhe lasse. Zur Frage, wie sich IF entwickelt hat: Die frühen IF-Autoren konnten nicht auf viele Spiele zurückblicken und daraus lernen. Deswegen gab es bestimmte störende Spiel-Elemente, die damals stark verbreitet waren. Das Lernen aus Fehlern führte insofern zu einer Weiterentwicklung. Andererseits sind manche Entwicklungen keine Verbesserungen, sondern Trends. Das hat Victor Gijsbers im Abschnitt II The second consensus gut erklärt. Die ersten IF-Autoren waren also dadurch eingeschränkt, dass sie nicht wussten, was wir heute wissen. Wir hingegen sind durch einen Mangel an Zeit und Publikum eingeschränkt. Es mangelt an Zeit, weil IF-Design heute kein Beruf ist (außer für Andrew Plotkin). Wegen dieses Zeitmangels und weil wir nicht mit Lektoren zusammenarbeiten, werden die meisten von uns kaum eine beachtliche Professionalität erreichen. Aber das müssen wir auch nicht. |
Geschrieben um 14:16 am 27.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Prof Gumby Beiträge: 596 | FrankS:
Letztlich läuft es immer genau darauf hinaus. Üblicherweise versuchen die meisten, in ihren Spielen der Idealvorstellung möglichst nahe zu kommen, die sie selbst haben. Heißt: Das Spiel zu machen, das sie selbst gerne spielen würden. Leider (oder auch zum Glück) haben die Rezipienten jedoch meist (mindestens leicht) abweichende Vorstellungen. Die Frage ist dann immer, wie man das bewerten soll nicht mein Geschmack, aber gut gemacht. Was jedoch eigentlich niemals gelingt, ist, es allen recht zu machen, da man sich damit immer viel zu sehr selbst verbiegt. Und genau deshalb tue ich mich auch so schwer mit solchen Lösungsmöglichkeiten, wie Nyarlathotep sie versucht zu formulieren. Da fehlt nämlich meiner Meinung nach (zumindest auf der expliziten Ebene) erstmal die grundlegende Feststellung der Prämisse, also der Annahmen, auf der diese Vorschläge basieren. Damit will ich nicht sagen, dass man nicht (beispielsweise) auf Betatester hören soll. Aber das ist eben auch ein Qualitätsmerkmal für Tester: gute versuchen (so weit es ihnen gelingt), Spiele auf der Basis der Vorstellungen des Autoren zu kritisieren. Was ja auch wiederum keine fundamentale Kritik an jenen Vorstellungen ausschließt, jedoch muss man diese beiden Ebenen schon einigermaßen zu trennen wissen. |
Geschrieben um 23:06 am 28.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Bachelor Gumby Beiträge: 40 | Hannes:
Ich und andere haben auf Probleme hingewiesen, die so gravierend sind, dass mir keine Lösungen einfallen, sondern nur (bewusst so bezeichnete) Vorschläge. Ursprünglich wollte ich nur die Probleme aufzählen. Das war mir aber zu negativ. Deswegen habe ich auch konstruktive Ideen beschrieben, obwohl ich keine der Anregungen als befriedigend empfunden habe. Hannes:
Meine Vorschläge zielen auf die Freude beim vermuteten Publikum. Zugegeben, dabei wird die Freude des Autors vernachlässigt. Hannes:
Hannes:
Zwei gute Punkte. Hannes:
Vermutungen: Weil Computerspiele stärker durch Technik faszinieren und Technik sich rasant verändert. Weil Erwachsene, die sich mit den Spielzeugen der Kindheit beschäftigen, unreif erscheinen. Dem Unreife-Vorwurf würde ich übrigens so entgegnen: Im Schnitt schaut ein Erwachsener knapp vier Stunden Fernsehen pro Tag. Dabei schaut er meist anderen Erwachsenen zu, wie sie so tun, als ob sie jemand anderes wären. Dieses Schauspiel der Erwachsenen hat seinen Ursprung im Rollenspiel der Kinder. Fernsehen und IF unterscheiden hauptsächlich darin, dass IF ein aktiveres Hobby ist. Unterhaltung im Fernsehen ist nicht reifer als IF. |
Geschrieben um 13:21 am 29.02.2012 | Zitat | Editieren | Löschen | |
Mitglied Prof Gumby Beiträge: 596 | Sehr interessant finde ich ja auch Krähes Beispiel zu Gesprächen. Ich frage mich auch immer, wie irgendjemand ernsthaft behaupten kann, das funktionierte gut in Textadventures! Das Grundproblem, das ich da sehe, ist das Spannungsverhältnis zu dem, was hier schon als Introspektion (oder auch Immersion) bezeichnet wurde: Rein technisch funktionieren Gespräche eigentlich nur per klar definiertem Multiple Choice. Das klassische ask/tell ist viel zu offen, entweder verpasst man als Spieler das Meiste, weil man gar nicht darauf kommt, oder es kommt zu Peinlichkeiten wie Warum fragst du mich nicht nach xyz? (Paradebeispiel: Snowquest in der IF Comp 2009). Aber: inhaltlich ist es genau umgekehrt - Multiple Choice funktioniert nur, wenn man einen sehr stark bestimmten Protagonisten hat. Das gilt aber vielfach wieder als Fehler, der die Immersion erschwert. Eine Lösung gibt es da wohl nicht. Es gilt deshalb wohl, genau wie schon anklang, sich zumindest dem Problem bewusst zu sein und eine konsistente Designentscheidung zu treffen. |